Der Donaufürst

Tief schneidet die Donau ihr Flussbett in den Sauwald und Passauerwald ein. Ihre Ufer bieten kaum Platz für die wenigen Fischerhütten.
Hier lebte ein Fischer mit seiner schönen Tochter Wilburga. Das Mädchen führte den bescheidenen Haushalt, der Vater war die meiste Zeit des Tages draußen am Strom. Eines Tages, als er mit reicher Beute nach Hause zurückgekehrt war, fand er in seiner Hütte eine große Menge Leute aus der Nachbarschaft vor. Mühsam bahnte er sich den Weg in die Stube. Suchend blickte er umher. Zu seinem Schrecken erfuhr er, dass der Donaufürst seine Tochter geraubt hatte.

Zuerst machte er sich Vorwürfe, weil er das Mädchen immer allein gelassen hatte, dann beschloss er aber, dem Fürsten aufzulauern. Jedem Fischer des Donautales war damals bekannt, dass sich der Wasserfürst in mondhellen Nächten jenen Menschen zeigt, die nichts geweihtes am Körper tragen.

In einer Mondnacht ruderte der Vater seinen Kahn den Strom hinauf, immer die wellige Wasseroberfläche im Auge behaltend. Schweißüberströmt ließ er die beiden Ruder sinken, und die Strömung trieb ihn ab. Wind kam auf, der das Wasser zu Wellen peitschte und das schlanke Boot hin- und her warf. Mitten im Strom türmten sich plötzlich die Wellen zu einem Berg, daraus der Donaufürst hervorkam. Seinen plumpen Körper bedeckte ein goldbestickter Purpurmantel, über den das blaue Kopf- und Barthaar in breiten Strähnen lief. Auf dem Haupte strahlte eine edelsteinbesetzte dreieckige Muschelkrone. Der Fürst fragte den Fischer nach seiner Begehr. So pflegte er jeden, der ihm auflauerte, zu fragen. Vertraute ihm ein Mensch seinen Wunsch an, war er verloren. Der Donaufürst nahm ihn mit in die Tiefe des Stromes. Der Fischer wusste das, schwieg und blickte zornig auf den mächtigen Wassergeist. Als sich dieser näherte, hob der Fischer ein Ruder und hieb auf das kronengeschmückte Haupt ein, dass vier große Edelsteine in weitem Bogen ans Ufer sprangen. Um das Ruder aber hatte der Fischer vorsorglich einen Rosenkranz geschlungen.

Der Wassergeist floh in das Erlengebüsch am Ufer. Seither wandelt er in Mondnächten die Ufer auf und ab und sucht nach den Steinen seiner Krone. Erst wenn er sie wieder besitzt, darf er als Fürst in sein Reich zurückkehren.
Im Palast am Grunde des Donaustromes aber gebietet die Fischerstochter Wilburga über die Nixen und Wasserfeen. Jedem, der in den Fluten der Donau ertrinkt, windet sich ein Blumenkränzlein und lässt es von ihren Nixen an die Oberfläche des Stromes bringen. Entdecken die Bewohner der Donauufer die Blumen in den Wellen, dann wissen sie, dass der Strom wieder ein Opfer gefordert hat.